Für heute steht eine Wanderung durch den Dschungel an. Diese wurde über unsere Gastgeber organisiert und auch die anderen Gäste (Annabelle, Pat und Xavier) sind dabei. Nach dem Frühstück füllten wir das Auto. Wie gestern, wurde der Rücksitz ziemlich eng: vier erwachsene Personen nebeneinander und laut Fahrer wird die Fahrt ca. 1h 20min dauern. Unsere Rucksäcke verstauten wir im halboffenen Kofferraum. Nur Lisbeth klammerte sich an ihrem und nahm ihn mit ins Auto. Unsere Gastgeberin ist extra um 5 Uhr morgens aufgestanden um uns ein leckeres Mittagessen zu kochen, welches wir gut verpackt mitbekamen.

Am Vortag herrschte noch Unsicherheit darüber, was man anziehen sollte. Wir entschieden uns natürlich für eine lange Hose und feste Schuhe (zu tief sitzt die Angst vor Blutegeln und auch sonst ist ein bisserl Schutz vor'm Unterholz ganz angenehm). Zudem nahmen wir das gute Mückenmittel: Jungo.

Dann ging es los. Die Fahrt war beengend und staubig, aber wir wurden sicher zur Anlegestelle gebracht. Auf unseren Rucksäcken war eine dicke Staubschicht, sodass wir die eigentlich verschiedenfarbigen Rucksäcke nur mehr schwer zuordnen konnten. Wir klopften diese kurz an und wurden dem Guide Zara übergeben. Dieser ist von einer Minderheit und hat Englisch gelernt, indem er einige Male zusammen mit einem englischsprachigen Guide Touristen durch den Dschungel geführt hat. Wir werden auf das kleine Boot geladen und eine gute Stunde flussaufwärts gefahren. Links und rechts konnte man schon sehr dichten Dschungel sehen. Als wir an Land gingen, trafen wir seine Frau beim Holz holen und wenige Minuten später erreichten wir sein Haus, welches von zwei Hunden bewacht wurde. Seine drei Buben waren auch dort und spielten mit einem Welpen.

Er holte sich noch kurz einen Sack, den er mit Stoffträgern zu einem improvisierten Rucksack umfunktionierte, füllte ihn mit den Früchten, welche wir ebenfalls morgens mitbekommen haben und schon ging es los.


Gefolgt von seinen zwei Hunden gingen wir einige Zeit zügig in der prallen Sonne auf staubendem Boden in Richtung des Dschungels, welcher Schutz vor der Hitze versprach. Da wir in der Trockenzeit unterwegs waren, gab es weniger Mosquitos und wir haben glücklicherweise auch keinen Blutegel gesehen. Hier gibt es in der Regenzeit übrigens braune Blutegel am Land. Im Wasser leben aber auch grüne und gelbe. Während die Hunde immer wieder ausschwärmten und uns lose folgten, wurde der Dschungel immer dichter, der Weg war allerdings bis auf die Schwüle leicht zu meistern. Auf die Frage hin, ob wir Tiere sehen würden, meinte er, dass wir dafür nicht weit genug im Dschungel wären. Hier draußen gibt es aber viele Schlangen und Spinnen. Eine kleine überfahrene Schlange hatten wir auf dem Weg schon entdeckt. Plötzlich vernahmen wir ein nicht endenwollendes Jaulen. Er meinte, dass es hier Fallen gibt und wir machten uns schon Sorgen um die Hunde. Dann wies er uns an stehen zu bleiben, während er nachschauen würde. Ich musste allerdings mitkommen. Wir gingen ca. 100m durch das Gehölz und das Jaulen wurde immer lauter. Er ging weiter und erschlug mit dem stumpfen Ende seiner Machete irgendein Tier, während die Hunde knurrten. Nun war klar, dass er seine Hunde zur Jagd einsetzt und wenige Sekunden später kamen mir die Hunde mit blutgetränkten Schnauzen entgegen. Er schulterte das Tier und wir gingen zurück wo die anderen warteten. Die Hunde hatten ein kleines Reh gerissen und seine Familie dadurch Fleisch für 2-3 Tage bekommen. Die Hunde wollten nicht so Recht vom Reh ablassen, das noch immer leicht zuckte, aber gleich erlöst wurde. Zara trat sie weg, entlud seinen Rucksack (wir mussten die Sachen nun selbst tragen) und faltete das Reh hinein. Dann ging es weiter, während sein Rucksack unten immer röter wurde. An einer Gabelung, an der wir beim Rückweg wieder vorbeikommen werden, wurde die Beute versteckt und verstaut. Er will schließlich die 10kg nicht unnötig herumtragen. Immer wieder ist uns aufgefallen, dass manche Bäume auf einer Seite verkohlte Stellen haben. Das wurde nun aufgeklärt: sie werden als lebendige Fackeln verwendet. Die Rinde wird angezündet und lodert vor sich hin, bis man es wieder löscht. Der weitere Weg verlief weniger spannend. Wir verloren einige Höhenmeter, hörten schon unser Ziel, den Wasserfall, rauschen. Bis hierhin sind wir nur einer kleinen Gruppe Touristen begegnet und staunten nicht schlecht, dass es an Wasserfall selbst nur so vor Touristen wimmelte. Am Fuße des Wasserfalls gibt es einen Pool, vor dem Pool viele größere Felsbrocken. Wir setzten uns erstmal und genossen unser Mittagessen (gebratener Reis mit Ei). Zur Nachspeise gab es dann die Früchte (Passionsfrucht, Bananen) und dann ging es schon in den kühlen Pool.


Nur Annabelle und ich zierten uns und genossen die Szenerie. Zara schnappte auch zwischenzeitlich die Ananas und bereitete sie uns mit seiner Mordwaffe vor. Nachdem sie geschnitten war, wusch er sie noch im Flusswasser. Wir lehnten unserer schützenswerten Verdauung wegen ab. Die große Touristengruppe verschwand nach und nach und so hatten wir am Ende den Wasserfall fast für uns ganz allein. Diese Gruppe macht übrigens eine Zweitagestour mit Übernachtung in Hängematten nahe des Wasserfalls. Dadurch gehen sie gemütlicher und haben viel Zeit am Wasserfall. Wir hingegen wurden zügig durch den Dschungel geführt, dass wir rechtzeitig wieder zurück sind. Nun ging es wieder retour, es war immer noch heiß und die anfänglichen Höhenmeter waren ziemlich anstrengend. Pat und Xavier fielen immer wieder zurück und Zara hatte nicht wirklich vor zu warten. Also übernahmen wir den Part und warteten immer wieder zusammen. Irgendwann hörte man wieder die Hunde durch das Unterholz jagen, aber die gewünschte Beute war wohl diesmal schneller. Zara erzählte uns, dass seine Hunde vor kurzem eine riesige Anaconda erlegt haben, welche für viele Mahlzeiten reichte und oberhalb des Wasserfalls haben sie ebenfalls schon ein Tier gejagt, welches vor Angst von der Klippe gesprungen ist. Zurück bei der Gabelung mit der Beute ging manchen schon langsam das Wasser aus; uns nicht, denn wir hatten uns eine Extraflasche zusätzlich eingepackt (Wandererfahrung zahlt sich aus). Aber Zara hatte einen Trick in petto: er holte einen Wasserbaum, spitzte ein Ende zu und schon floss einiges an trinkbarem Wasser aus dieser Spitze. Er meinte, damit kann man sich ein paar Stunden erkämpfen, wenn man Mal mit zu wenig Wasser im Dschungel festsitzt. Dann band er sich wieder das erlegte Reh um, verwischte Spuren und wurde sichtbar nervös. Immer wieder erkundigte er sich, ob man das Blut eh nicht sieht. Aber schon bald war auch das darübergehängte Hemd blutgetränkt und das Blut tropfte langsam aber kontinuierlich auf den trockenen Boden. Eine Blutspur zog sich entlang unseres Weges und er sorgte sich, entdeckt zu werden. So wie es aussieht, fällt das hier wohl unter Wildern und das erklärt wohl auch, warum es hier keine größeren Tiere zu sehen gibt. Es ist ein schmaler Grat: natürlich gönnt man ihm die Beute, er lebt unter einfachsten Verhältnissen (gleich mehr dazu) und muss eine fünfköpfige Familie und Tiere ernähren. Andererseits hat es wohl einen Grund, warum hier nicht (oder wenig) gejagt werden darf und wenn man dem Tourismus hier haben möchte, dann geht das kaum, wenn es keine wilden Tiere mehr gibt. Und Touristen sind hier nicht nur Zubrot, sondern eine Chance aus der wirtschaftlich sehr schlechten Lage auszubrechen. Also kurzfristig toll für Zara und andere, welche hier vermutlich ganz ähnlich leben, aber langfristig ein Puzzlestück der hier seit Jahren burzelnden Tourismuszahlen, welche sich hier niemand so recht erklären kann.

Aber zurück zur Wanderung: es ging unspektakulär zurück. Am Weg erzählte er uns voller Stolz noch weitere Hundegeschichten. 'My dogs strong', haben sogar schon eine Kuh erlegt (der Nachbar wird sich gefreut haben). Heute sind die Kühe aber vorsichtiger und gehen gegen die Hunde bereits in Angriffhaltung. Passiert ist nichts. Bei seiner Hütte angekommen, lud er uns noch ein, sein Zuhause anzusehen. Das Holzhaus auf Stelzen hat nur einen Raum. Darin nimmt ein Reisvorrat bereits relativ viel Platz ein. Da die letzte Ernte so gut war, sind neben dem eigentlichen Aufbewahrungsplatz noch zahlreiche Säcke gefüllt. Geschlafen wird auf sehr dünnen Matten am Holzboden und ein Netz schützt vor Mosquitos. Mehr gibt es dort nicht. Unter dem Haus sind Hängematten und ein Kochplatz. Rund um das Haus eine kleine Farm mit Hühnern, Mango, Mais, Cashewnüssen und vielem mehr. Ein Schwein liegt in einem viel zu kleinen Gehege und das Wasser holt seine Frau mit alten Wasserflaschen aus Wasserlöchern, die sich mit Grundwasser füllen. Auch über unseren leeren Wasserflaschen freut er sich. Strom scheint er hier keinen zu haben, aber immerhin hat die Familie ein Moped und ein kleines Boot, mit welchem es dann wieder flussabwärts ging. Am Weg machten wir noch einen kurzen Halt bei einem Minderheitendorf, insbesondere auch um deren Friedhof zu sehen. Ein kleines Geschäft verkauft das allernötigste: bspw. Wasser, gekühltes Wasser für Touristen, Sprit für Boot und Motorrad im Plastiksackerl und Hähne für hier leider beliebte blutige Hahnenkämpfe. Die Gräber am Friedhof sind mit Holzstatuen verziert. Mehr Infos dazu gibt es beim morgigen Tag, da Zara uns leider nicht gerade mit Informationen mästete. Immer wieder drückte er auf die Tube, hatte aber noch Zeit um von einem Baum ein paar Ameisen zu naschen. Den Grund für seinen Zeitdruck nannte er erst sehr spät: er muss rechtzeitig vor Sonnenuntergang mit seinem Boot zurück sein, weil es im Dunkeln zu gefährlich ist. In dem Fall müsste seine Familie allein die Nacht verbringen. Das wollen wir natürlich auch nicht und so beeilten wir uns zum Boot, welches uns zur Anlegestelle zurück brachte. Die Verabschiedung ging wegen des nahenden Sonnenuntergangs sehr schnell.


Wir quetschten uns wieder ins Auto und wurden im Dunkeln zurück gekarrt. Zum auswärts essen waren wir zu faul und Thyda (unsere Gastgeberin) hatte heute vor Nudelsuppe zu machen. Wir sagten dankend zu, gingen duschen und trafen uns kurze Zeit später mit großem Hunger beim Esstisch wieder. Die vier Kids waren da und stürzten auch gleich auf uns. Ich durfte Nachhilfe in Englisch geben, da die Kids morgen Referat haben, Lisbeth hat sich hungrig ausgeklinkt, die Franzosen beobachteten das ganze aus sicherer Entfernung von ihrer Bungalow Terrasse und Thyda war nicht mehr zu finden. Über eine Stunde wurde geübt, diktiert, korrigiert und gestrebert. Die Franzosen haben sich zwischenzeitlich auch schon dazu gesellt und wurden ebenfalls von den Jungs vereinnahmt. Endlich kam Thyda mit vielen Tüten zurück. Schnell wurde ein Gaskocher auf den Tisch gestellt und vor unseren Augen in Windeseile eine Suppe zubereitet. Die Grundlage lieferte eine Brühe aus dem Restaurant ihrer Eltern. 200 Liter werden dort täglich ausgegeben und vorher für mindestens 10 Stunden gekocht. Wieder Mal ein besonders leckeres Essen und da die Franzosen ihre letzte Übernachtung hatten, gab es als Nachtisch was ganz besonderes. Ein sogenannter Jar-Wine, welcher nur von den Minderheiten hergestellt wird. Hier werden in einem großen Tonkrug Reis fermentiert und gemeinsam getrunken. Jeder bekommt einen eigenen Trinkhalm aus Bambus und es wird abwechselnd getrunken.


Immer, wenn jemand fertig getrunken hat, wird der Krug mit frischem Wasser wieder gefüllt. So verdünnt sich der Reiswein zunehmend. Thyda hat zum ersten Mal selbst mitgetrunken, da ihr Mann bei einer Hochzeitsfeier ist und sie ihn deshalb ersetzen muss. Wir tranken und füllten immer wieder auf, der Reiswein schmeckte aber immer noch nicht schwächer (wir schon). Als wir langsam aufgeben wollen, kam ihr Mann zurück, kostete und befand 'es ist immer noch stark, aber ich kann euch helfen'. Ich und Lisbeth haben uns zwischenzeitlich aus dem Getrinke ausgeklinkt und beobachteten (wie die Kinder) amüsiert, wie es weiterging. Zusätzlich zum Reiswein bestellte Thyda übrigens auch Beef Jerky und Cambodian Cheese mit Gemüse. Unter Cheese versteht man 1-2 Jahre fermentierten Fisch. Über den Geschmack könnt ihr euch dann bei Lisbeth erkundigen. Meinem Magen zuliebe verzichte ich seit kurzem gänzlich auf Experimente.


Da meine Rückenschmerzen (habe ich seit dem Vortag) immer schlimmer wurden, verabschiedeten wir uns bald ins Bett.


-- Gregor